Mein Besuch beim Räuchermann!
Einmal im Jahr luden meine Eltern Lebensmittel, frisches Obst und jede Menge Zeitschriften sowie Versandkataloge in unser Auto. Manchmal auch Badezimmerfließen, Waschgarnituren und Küchenutensilien. War das Auto dann proper voll, wurde ich auf die Rückbank verfrachtet und los ging es.
Da wir im Rhein-Main-Gebiet wohnten steuerte mein Vater unser Auto zielsicher auf die A4 Richtung Eisenach zum Grenzübergang Wartha/Herleshausen.
Hier angekommen ging unsere Reise in eine Angst erfüllte Atmosphäre über. Zumindest in meinen Erinnerungen. Unsere Reisepässe mussten zur Prüfung abgeben werden und Grenzbeamte der DDR nahmen uns in Augenschein. Ein äußerst beklemmendes Gefühl für meine Eltern und mich. Auch der ein oder andere Gedanke „Was passiert wenn die uns nicht mehr rauslassen?“ flammte kurzfristig auf.
Das Bewusstsein unser Reiseziel bald erreicht zu haben verdrängte jede Beklemmung sofort. War die Grenzhürde überwunden, begann der Kampf unseres Autos gegen die zahlreichen Schlaglöcher der Straßen. Und wie immer wurden wir von den VOPOs zu einem kurzen kostenpflichtigen Stopp mit behördlicher Gewalt überredet. Das Fluchen meines Herrn Papas und das Zetern meiner Mutter war trotz des Schlagloch-Fahrlärms deutlich auf meiner Rückbank zu hören.
Nach einer mir endlos langen Fahrt innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik waren die dunklen Kohlewolken der Heizkraftwerke über Dresden in Sicht.
Endlich – noch ein paar Minuten und ich konnte ihn wieder in meine Arme nehmen.
Am Ziel angekommen sah ich ihn vor mir. Sein Aussehen hatte sich nicht verändert.
Der lange gepflegte Bart, die Pfeife in der rechten Hand und sein runder Mund – aus dem dieser toll duftende Rauch kam – er sah aus wie immer – um keinen einzigen Tag gealtert. Nein, nicht mein Onkel – der Räuchermann Erich 😉
Gelassen mit einer Hand in der Hüfte stand er neben der 5-Stöckigen Pyramide, deren Kerzen bereits brannten und die Figuren zum drehen brachten.
Mein Freund Erich kommt aus dem schönen Erzgebirge. Er gehört zur Sippe der Räuchermänner, die man dort auch liebevoll „Räuchermännl“ nennt. Wie viele seiner Kollegen ist Erichs Hauptaufgabe das Abbrennen von Räuchermitteln, wie Weihrauch und ähnlichem. Diese Düfte vermitteln mir auch heute noch ein angenehmes wärmendes Gefühl.
Es waren unter anderem diese kleinen Dinge, die mir als Kind ein bekanntes und heimeliges Gefühl in der unfreien Welt vermittelt haben. Damals durfte der Räuchermann mich nicht besuchen – heute ist das zum Glück nicht mehr so.
Bilder: Michael in klein *gg*